Songkran in Thailand - Mädchen
Songkran in Thailand

Songkran in Thailand während der Pandemie (Teil 2)

Große Augen. Ein Lächeln mit so viel Zucker oben drauf, dass selbst die Zahnfee Zahnschmerzen bekommen würde.

In dem Moment, in dem ich die Augen öffne, grinst mich Cinderella an – samt all ihrer Freundinnen. Minnie Mäuse und Hello Kitty-Katzen gibt es hier auch im Überfluss. Es braucht ein paar Augenblicke bis ich realisiere, wo ich bin.

Das Schlafzimmer von Jeabs Freundin Nôoi. Alles ist quietschbunt und voller Disney-Prinzessinen. Es erinnert mich etwas an ein Kinderzimmer.

Ein Kinderzimmer für Mädchen.

Für kleine Mädchen.

Für kleine Mädchen mit Zöpfen auf einem Dreirad.

Hier ist wirklich alles süß. Das wäre mit Sicherheit Wednesday Addams Alptraum. Viele Thais, die ich kennen gelernt habe, mögen das sehr. Geschlafen habe ich super. Heute ist der zweite Tag meines ersten Songkran in Thailand.

Songkran in Thailand - Mädchen

Der Morgen danach

Während ich meinen Kaffee trinke, versuche ich mich so gut es geht mit Nôoi und ihrer Familie zu unterhalten. Kennst du das, wenn einen wortwörtlich niemand versteht? Dabei sind alle total lieb und aufopfernd zu mir. Gern würde ich ihre interessierten Fragen genauer beantworten. Teilweise würde es mir schon genügen sie wenigstens zu verstehen.

Jeab hilft mir so gut es geht.

Ab und an kommen Leute ins Wohnzimmer, denen ich am Vortag nicht begegnet bin. Ob sie zur Familie gehören oder Freunde aus dem Ort sind, bleibt meist ein Geheimnis. Aber interessiert sind sie alle.

Bevor wir nach Nong Chaeng zurückfahren, möchte mir Nôois älterer Bruder Chai die Berge in der Umgebung zeigen. Er hat mitbekommen, dass ich gern fotografiere.

Chai ist ein ruhiger Typ. Er redet nicht viel und lächelt seltener als die anderen Männer. Ich mag seine Art und trotz der sprachlichen Barriere freunden wir uns schnell an. Es gibt Menschen, da braucht es nicht viele Worte.

Der perfekte Diamant

Was folgt war eine Offroad-Tour, wie ich sie noch nicht erlebt habe. Dass ein augenscheinlich ganz normaler Pickup solch schlammigen Waldwege, steile Hügel, aufgewühlte Felder und hüfthohes Gestrüpp bezwingen kann, hab ich nicht erwartet. Chai hat sichtlich Spaß daran, wie Jeab und ich im Wagen ordentlich durchgeschüttelt werden.

Einmal schafft der Wagen es nicht, einen Hügel hochzufahren. Also werden wir kurzerhand auf die Ladefläche verfrachtet. Bei tiefen Ästen müssen wir den Kopf einziehen. Sicherheitsbedenken? Das hier ist Thailand. Beim Versuch einen Hügel herunterzufahren, haue ich mir dann aber doch noch ordentlich den Kopf an. Zum Glück nur eine Beule.

Phetchabun - Landschaft

Wir halten an verschiedenen Aussichtpunkten. Der Blick über die Landschaften Phetchabuns ist die Strapazen wert. Laut Wikipedia bedeutet der Name Phetchabun so viel wie „perfekter Diamant“. Ich kann verstehen, warum.

Chai ist sichtlich stolz auf seine Heimat und die Natur hier. Damit ist er auch nicht allein.

Songkran am Au Ruea

Vormittag. Zurück in Nong Chaeng bleibt uns nicht viel Zeit zum Ausruhen. Mittag soll es zum Au Ruea gehen, einem See nur weniger Kilometer vom Haus entfernt. Ich war schon öfters dort. Ein schöner Ort. Ich liebe es zu beobachten, wie die Sonne hinter den Bergen auf der anderen Seite des Sees verschwindet. Das Wasser färbt sich dann hin zu einem warmen Rot. Auf dem See befinden sich Boote, die aussehen wie kleine Häuser. Sie können gemietet werden, um mit ihnen aufs Wasser rauszufahren.

Nong Chaeng - Au Ruea

Aber heute geht es nicht direkt an den Au Ruea, sondern zu einem Restaurant von Freunden in der Nähe.

Same same but different

Während wir vorfahren, sehe ich viele Menschen. Die meisten habe ich bei der Songkranfeier am Vortag schon kennengelernt. Jedoch geht es heute offensichtlich weniger zeremoniell zu. Denn es wird bereits gegessen, getrunken, getanzt und gesungen.

Songkran in Thailand - Eintertainment

Der Empfang ist sehr herzlich. Alle rufen mich bei meinem Namen und es fühlt sich an, als wäre ich schon lange erwartet worden. Das gibt mir sofort ein Gefühl der Vertrautheit.

An den kleiner Tischen und Bänken aus Stein sitzen vorwiegend Frauen und Kinder. Die Männer sitzen auf einem großen, aber flachen Holztisch. Sofort soll auch ich auf dort Platz nehmen. Chai und Nôoi sind ebenfalls hier. Auch Miiju kann ich zwischen den Leuten erkennen. Sie wird von den Thais scherzhaft Mrs. Sexy genannt. Aber Mrs. Sexy steckt der Vortag noch in den Knochen. Den Kater sehe ich ihr deutlich im von Kopfschmerzen gequälten Gesicht an.

Und dann ist eigentlich alles sofort genau wie am Vortag.

Es dauert keine fünf Minuten, bis mir der erste Soda-Whiskey-Mix vor die Nase gestellt wird. „Gut“, denke ich, „aber langsam“. Während ich nur vorsichtig an meinem Becher nippe ärgere ich mich, dass meine Kenntnisse der thailändischen Sprache nicht besser sind. Gern würde ich mich mehr in die Tiefe mit den Menschen hier unterhalten. Kennst du dieses Gefühl?

Wein, Weib und Gesang oder auf Thailändisch: Whisky-Soda, Ladyboy und Karaoke

Songkran in Thailand - Gäste beim Tanzen

Klick. Ein Foto und dann ein weiteres. Mittlerweile habe ich überhaupt keine Berührungsängste mehr. Alles wird festgehalten. Am Vortag war ich zurückhaltender, doch es ist schließlich Songkran. Die Menschen sind fröhlich, freuen sich sogar über die vielen Bilder.

So zieht sich der Nachmittag dahin. Eigentlich mache ich kaum was anderes als zu Fotografieren und zu versuchen so viel Drinks wie möglich abzublocken.

Bitte versteh mich nicht falsch. Ich bin kein Spielverderber und erst recht kein Heiliger. Wer hier aber auch nur jedem zweiten Getränk zustimmt, dürfte nach zwei bis drei Stunden unter dem Tisch weiter feiern.

Am späten Nachmittag brechen auch wieder die für Songkran typischen Wasserschlachten aus. Mit gewohnter Hemmungslosigkeit. Es wird ja nicht umsonst auch das Wasserfest genannt. Wer ins Visier genommen wird, der bleibt an keiner Stelle trocken. Als die Kinder jedoch mit ihren Wassereimern zu nah an den Kochbereich im hinteren Teil des Restaurants kommen, gibt es einen Ordnungsruf.

Während die Thais das neue Jahr also mit Karaoke, Tanz und Wasserspielen feiern, unterhalte ich mich mit den zu meist jüngeren Leuten, die Englisch sprechen können. Miiju verrät mir, dass sie heute noch mit ihrem Freund nach Bangkok fährt. Ein Sänger, der auch schon am Vortag im Vorort von Phetchabun für Unterhaltung gesorgt hat, eröffnet mir, dass er ein Ladyboy ist und auf Männer steht.

Nicht, dass ich danach gefragt hätte.

Das ist nichts Ungewöhnliches in Thailand. Da er sich jedoch auffällig um mein Wohlbefinden sorgt, belasse ich es dann auch dabei und hake nicht nach.

Songkran geht zu Ende

Wir fahren jetzt nach Hause.

Es ist erst kurz nach 20:00 Uhr als mir Jeab beichtet, dass sie erschöpft ist. Mir soll es Recht sein. Die letzten zwei Tage waren lang, die letzte Nacht kurz. Hastig greife ich meine Kameratasche und nur Minuten später sind wir zurück im Haus. Das ist ja nicht weit weg. Eigentlich hätte der Tag jetzt und hier zu Ende sein können.

Eigentlich . . .

Was nun folgt, habe ich so auch noch nicht erlebt und würde es im Nachhinein als „typisch Thailand“ bezeichnen. Nur wenige Minuten nach unserer Ankunft, fährt ein weiteres Auto auf den Hof – Chai, seine Frau und sein Sohn steigen aus.

Songkran in Thailand - Gäste

Und während Jeab mit ihnen diskutiert, kommt in mir erneut der Wunsch auf, die thailändische Sprache besser zu verstehen.

Ich kann nicht genau sagen, was Chai zu der sichtlich müden Jeab sagt, aber nach wenigen Minuten erklärt sie sich bereit wieder mit zum Restaurant zurückzufahren. Anscheinend ist er sehr überzeugend. Da ich sie nicht allein lassen will, fahre ich auch wieder mit.

Noch immer sind viele Gäste am Restaurant und noch immer wird gesungen und getanzt. Natürlich auch getrunken. Binnen zwei Stunden wird es jedoch zunehmend ruhiger.

Vorsicht bei betrunkenen Thais – die Zweite

Wir sind zusammengeschrumpft auf eine Gruppe von fünf Leuten. Mittlerweile kämpfe ich auch gegen die Müdigkeit an. Jeab hat den Kampf offensichtlich bereits verloren. Nur ihr Ellenbogen trennt ihren Kopf von der harten Steinplatte des Tisches. Die Feier ist für mich vorbei.

Sie ist einem Warten gewichen. Warten darauf, dass Chai uns zurück zum Haus bringt.

Ein weiterer Mann kommt aus der Dunkelheit zu uns und gesellt sich an den Tisch. Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen. Ob er zur Familie gehört, ob er hier wohnt oder was er hier tut – ich weiß es nicht. Vorerst ist einfach er nur ein Mann aus der Dunkelheit, der sich mit den anderen Thais unterhält und trinkt.

Jedoch fixiert er mich ständig mit seinen Augen und ich fühle mich nicht wohl dabei. Sein Gesicht zeigt keine Spur eines Lächelns. Ein bisschen wünsche ich mir, dass Jeab jetzt aufwachen würde.

Tut sie aber nicht.

Dann fängt der Dunkelheit-Mann an mit ein paar Fragen zu stellen. Die, die ich verstehe, versuche ich möglichst locker zu beantworten. Mein Unwohlsein sollte er keinesfalls bemerken. Er scheint sich allerdings mehr darüber zu amüsieren, wenn ich seine Fragen nicht verstehe.

Schließlich sagt er mir, dass er Chinesisch spricht. Nun bin ich völlig verunsichert. Offensichtlich veralbert er mich. Ob das Spaß ist oder nicht, kann ich nicht einschätzen. Schließlich habe ich am Vortag schon eine ähnlich unangenehme Situation gehabt.

Ein mulmiges Gefühl

Zugegeben, in dieser Situation fühle ich mich zutiefst unbehaglich. Die Art des Mannes mit mir zu sprechen fühlt sich aggressiv an. Zumindest wirkt es so. Kein Vergleich zu den anderen Thais. Er redet schnell und gefühlt absichtlich so undeutlich, dass ich ihn kaum verstehen kann, um mir genau das anschließend vorzuwerfen. Sein Blick werde ich Jeab am nächsten Tag mit den kurzen Worten „etwas irre“ beschreiben.

Dann schießt mir ein Gedanke durch den Kopf: Chai und auch die anderen schreiten nicht ein.

Das spricht sehr dafür, dass ich nur veralbert werde. Klingt logisch, oder?

Also nehme ich meinen Mut zusammen und drehe den Spieß um. Ich beginne nun auf Deutsch Fragen zu stellen. Das ist meine Version von „ich spreche Chinesisch“. Natürlich werde ich darauf keine Antworten bekommen, aber darum geht es nicht.

Nach fünf oder sechs aneinandergereihten Fragen mache ich eine Pause, um zu sehen, ob ich mir jetzt Probleme eingehandelt habe.

Nun ist der Mann still.

Whiskey mit Soda

Das vorher kaum eine Regung zeigende Gesicht von Chai verzieht sich zu einem Grinsen und auch die anderen am Tisch fangen an zu lachen. Und plötzlich ist da auch ein Lächeln auf den Lippen des gerade noch aggressiv wirkenden Mannes aus der Dunkelheit. Jetzt wirkt er gar nicht mehr so unsympathisch. Und ich bin wirklich erleichtert.

Vielleicht hätte ich die Situation auch schneller durchschauen können. Aber die Reaktion des betrunkenen Thais am Vortag hat mich sehr vorsichtig gemacht.

Anschließend plaudern wir noch ein paar Augenblicke, bevor Jeab wieder einigermaßen munter ist und Chai uns endlich zurück nach Hause bringt.

Der letzte Tag vom Songkran

Das Neujahrsfest 2021 ist fast vorbei.

Der dritte und letzte Tag ist verglichen mit den beiden vorangegangen ruhig. Am Vormittag wird im Restaurant in der Nähe vom Au Ruea-See Geld gesammelt und in eine Art Strauß gebunden.

Songkran in Thailand - Ältere Frau

Jeab erklärt mir, dass er zu den Mönchen in den Tempel gebracht wird. Die Thais nennen das „Tham Bun“, was so viel bedeutet, sich verdient zu machen. Auf diese Weise wird gutes Karma gesammelt.

Wenn ich möchte, könne ich mich beteiligen. Ich möchte.

Außerdem lerne ich Mrs. Djai kennen. Sie ist älter als ich, wirkt jedoch nicht so. Ich mag ihre Art. Sie spricht sehr gut Englisch, denn sie hat – wie Miiju – in Pattaya gearbeitet. Und auch sonst bemerke ich viele Parallelen in ihren Verhaltensweisen.

Die meisten Thais reisen am Nachmittag nacheinander in ihre verschiedenen Heimatregionen ab. Sie müssen am nächsten Tag alle wieder arbeiten. Nur Chai, seine Frau, zwei der Besitzer des Restaurants, Jeab und ich sind noch da. Es wird ein ruhiger Abend.

Mein Highlight ist ein schwarzer Skorpion, der uns am Tisch besuchen kommt. Ich habe noch nie einen in freier Natur gesehen. Während die Thais aufgeregt vom Tisch hochspringen, versuche ich ein paar brauchbare Fotos zu machen – mit entsprechendem Sicherheitsabstand.

Dieses Songkran sollte ernste Folgen haben

Der nächste Tag verläuft ohne Zwischenfälle und ich bin froh, erst mal nicht mehr feiern zu müssen. Die letzten Tage sitzen mir doch noch in den Knochen. Dann bekomme ich eine Nachricht von meiner Partnerin Faii.

Es gibt ein Problem. Einer der Leute auf dem Songkranfest beim Au Ruea war mit Covid-19 infiziert.

Autsch!

Faii ist gerade an der Universität in Uttaradit. Damit ist sie vier Stunden Autofahrt von Phetchabun entfernt. Dennoch ist sie dort besser informiert als Jeab oder ich. Wahrscheinlicher ist, dass Jeab mir nichts sagen will, um mich nicht zu beunruhigen.

Als ich sie darauf anspreche, sagt sie, dass das alles nicht so schlimm sei. Wir hätten fast gar nichts mit dem infizierten Mann zu tun gehabt.

Später stellt sich heraus, dass das nicht stimmt.

Durch Songkran gelten viele Leute in dem kleinen Ort unmittelbar als Risikokontakt. Und das zu einer Zeit, in der Thailand mit der bislang größten Welle an Neuinfektionen zu kämpfen hat. Natürlich würde das auch für mich noch Konsequenzen haben.

Trotz allem würde ich alles wieder genauso machen. Um nichts in der Welt würde ich diese Erfahrungen wieder eintauschen, die ich in dieser merkwürdigen Zeit hier sammeln konnte. Denn:

Du bist nicht zum Beobachten da. Es gibt nichts herauszufinden. Nimm das Leben nicht als Problem. Es ist ein Geheimnis von ungeheurer Schönheit. Trinke davon – es ist reiner Wein. Berausche dich daran.

Osho
Songkran in Thailand - Am Tisch der Männer

Was ist mir dir? Wie sind deine Erfahrungen mit Einheimischen? Ausschließlich positiv oder gab es auch schon unangenehme Situationen? Erzähl mir gern davon in den Kommentaren.

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